„Im Agilen arbeitet das Team selbstorganisiert, es wird kaum geplant und dokumentiert und es gibt keine Projektleitung mehr!“ – ganz typische und sicherlich bekannte Aussagen über das agile Arbeiten. Wenn das so ist, dann ist eine Projektleitung ja nicht mehr nötig. Oder bringt diese in aktuellen Projekten doch noch einen Mehrwert? Wie steht es derzeit um die Rolle der Projektleitung und deren Veränderungen?
Der Autor dieses Blogbeitrags, Christoph Ochs, hat basierend auf seiner Masterarbeit zusammen mit Prof. Dr. Konrad Spang von der Universität Kassel einen Artikel in der aktuellen PROJEKTMANAGEMENT AKTUELL veröffentlicht, in welchem die Ergebnisse der Masterarbeit vorstellt werden. Zur Untersuchung der im ersten Absatz genannten Fragen wurden zunächst umfangreiche Literaturrecherchen zu den leitenden Rollen im traditionellen und agilen Projektmanagement durchgeführt, welche anschließend mit einer empirischen Untersuchung (Interviews mit Projektverantwortlichen) reflektiert wurden.
Kompetenzprofil der Projektleitung wandelt sich
Liebe Projektleiter und Projektleiterinnen, ihr werden noch gebraucht! Im Ergebnis der Forschung stellte sich heraus, dass die Projektleitung auch in agilen Projekten in der Praxis weiterhin häufig ein Bestandteil ist. „Agile Projektleiter:innen“ übernehmen insbesondere die Aufgabe, die Verantwortung und Macht – anstelle von konkreten Aufgaben – an das Team zu delegieren. Weiterhin obliegt ihnen der Schutz des Teams vor äußeren Einflüssen, das Ressourcenmanagement, die Projektorganisation und das Management von Konflikten. Verstärkt finden sich jedoch auch Aufgaben im Bereich der Schnittstelle zwischen agilem Projekt und klassischer Linienorganisation, bei welchen die Projektleitung vermittelnd und interessenausgleichend agiert.
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Um diese Aufgaben umzusetzen, verändern sich auch die notwendigen Kompetenzen der Projektleitung: Die grundlegende Affinität zur zwischenmenschlichen Interaktion ist notwendig, aber auch eine starke Empathie, stabile Resilienz, Fairness und Kommunikationsfähigkeiten münden in den insgesamt steigenden Anforderungen hinsichtlich sozialer und persönlicher Kompetenz der Projektleitung im Agilen. Weiterhin sind auch technische Kompetenzen in Projektmanagement-Methodiken relevant, beispielsweise zur Kapazitätsschätzung.
Agile Werte noch nicht verinnerlicht
Wie bereits erläutert verschiebt sich die Projektverantwortung im Agilen von der Projektleitung zunehmend auf das Projektteam. Jedoch sehen die befragten Projektleiter:innen ihre Verantwortung einerseits stärker beim Verdeutlichen der Bedeutung und Sinnhaftigkeit des Projektes gegenüber den Mitarbeitern. Andererseits gilt es, Projektverlauf und -ergebnis dem Management zu reporten, um damit das Vertrauen in das Projektteam herzustellen und den Informationsbedarf der Stakeholder zu decken.
Die Art und Weise der Führung entwickelt sich in die Richtung der „servant leadership“. Die Projektleitung entsprechend ist dafür zuständig, ein Arbeitsumfeld voller Vertrauen und gegenseitiger Unterstützung zu schaffen. Allerdings bestätigen die erhobenen qualitativen Daten, dass das Führen nach und Leben von agilen Werten noch auf keine umfangreiche Auseinandersetzung bei den Befragten traf.
Bezüglich Weiterbildungsthemen für Projektleiter:innen im Bereich agiler Projekte empfehlen sich auf Basis der Ergebnisse entsprechend die Kombination sowohl traditioneller als auch agiler Projektmanagementansätze. Gerade in größeren Projekten unterstützen traditionelle methodische Kenntnisse, beispielsweise in Einkaufsprozessen. Weiterhin sollten zwischenmenschlichen Kompetenzen sowie Kommunikations- und Moderationsfähigkeiten ausgebaut werden, um Mitarbeiter sowohl in der Projektarbeit als auch in ihrer eigenen Weiterentwicklung zu begleiten.
Die Masterarbeit selbst wie auch der Artikel leisten somit einen Beitrag, das Bewusstsein von Projektleitern:innen zu ihrer eigenen Rolle und deren Wirkungspotenzial zu erhöhen. Jedoch unterstützt die Arbeit auch Personalabteilungen sowie die Aus- und Weiterbildung mit den Erkenntnissen über die sich verändernden Kompetenzen.
Über den Autor
Christoph Ochs betreut und berät als Junior Consultant Kunden mit dem Schwerpunkt Frontendentwicklung. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Fokus auf Wirtschaftsinformatik und Projektmanagement.