KI ist mehr als Hype

Künstliche Intelligenz ist nicht neu, aber spätestens mit Anwendungen wie ChatGPT oder MidJourney nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Auf Basis einer einfachen verbalen Beschreibung des gewünschten Ergebnisses (Prompt) lassen sich mit solchen KI-basierten Programmen Bilder oder Videos generieren, Tabellen bearbeiten, oder Texte übersetzen. Wer etwas tiefer gehen möchte, kann ganze Webseiten auf Knopfdruck erstellen (und ohne Programmierkenntnisse anpassen), künstliche Stimmen generieren oder virtuelle Experten zu spezifischen Themen erstellen (KI-Assistenten).

 

Eine solche “generative KI” lernt anhand bestehender (Trainings-)Daten wie Bildern, um darauf aufbauend neue Inhalte zu erzeugen. Wer das schon einmal ausprobiert hat, erahnt, das KI damit mehr ist als ein vermeintlich kurzfristiger Hype. Zudem ist generative KI nur ein Teil dessen, was KI-basierte Systeme ermöglichen können – die Möglichkeiten reichen noch viel weiter! Etwa, wenn es um die Automatisierung von Prozessen, die Analyse großer Datenmengen, oder die Steuerung autonomer Maschinen oder Fahrzeuge geht.

 

Die Möglichkeiten, KI einzusetzen, sind vielfältig, einfach zu nutzen und sie entwickeln sich kontinuierlich und sehr schnell weiter. So schnell, dass es schwer ist, den Überblick zu behalten. Und so schnell, dass sich für Unternehmen die Frage stellt, inwieweit Künstliche Intelligenz Chance und Risiko zugleich ist:

 

Die Chance:

  • KI in Geschäftsprozesse und Produkte zu integrieren
  • Effizienz steigern
  • Kundengewinnung
  • mehr Umsatz generieren

 

Das Risiko:

  • erfolgreiche Geschäftsmodelle disruptieren
  • mögliche finanzielle Risiken
  • Verunsicherung von Mitarbeitenden

 

Wie aber lassen sich die Potenziale von Künstlicher Intelligenz nutzen und die Risiken möglichst reduzieren? Und wie können die eigenen Kunden und Mitarbeitenden dabei involviert werden?

KI ist mehr als Technik

Um die Potenziale von KI für das eigene Unternehmen zu verstehen und zu erschließen, sollte zunächst klar werden, was sie eigentlich ausmacht. Und das ist weit mehr, als Texte oder Bilder generieren zu können.

 

KI umfasst eine Vielzahl von Anwendungsformen, die gemeinsam haben, dass sie versuchen, Formen menschlicher Intelligenz und menschlichen Lernens nachzubilden und zu automatisieren.

 

KI ist damit kein einzelnes Werkzeug (Tool), sondern dient vielmehr als technische Basis für eine neue Generation von Tools. So wie Elektrizität und das Internet die Grundlage für neue Arten von technischen Geräten und digitalen Diensten geschaffen haben. KI-basierte Tools nutzen unterschiedliche Formen von Künstlicher Intelligenz und geben uns damit neue Möglichkeiten, Geschäftsmodelle, Produkte und Prozesse in Unternehmen zu verbessern oder völlig neue zu entwickeln. Etwa durch die Automatisierung von Routineaufgaben (wie Prozessdokumentation, Übersetzungen von Dokumenten oder Meeting-Zusammenfassungen), oder bei der Erkennung von Mustern und Auffälligkeiten in Daten, zum Beispiel auf Röntgenbildern oder in den Analysedaten von Webseiten.

 

KI ist aber mehr als Technik, und mehr als Software, die auf Knopfdruck etwas generieren, analysieren oder automatisieren kann. Der Mehrwert von KI-Modellen und -Tools ergibt sich erst dann, wenn diese uns helfen:

  • konkrete Probleme zu lösen
  • Aufgaben schneller oder besser zu bearbeiten
  • unsere Fähigkeiten und unser Wissen in einem bestimmten Bereich zu erweitern

 

Vergleichbar mit einem neuen Werkzeug, das bestehende Möglichkeiten verbessert und Neue schafft.  Der Einsatz und die Potenziale von KI sind aber deshalb (wie beim Werkzeug) immer eng verknüpft mit konkreten Anwendungsfällen und deren Anwendern, für die KI einen konkreten Mehrwert liefern soll.

KI ist die Antwort. Aber auf welche Frage?

Wie lassen sich Künstliche Intelligenz und die damit verbundenen Potenziale im eigenen Unternehmen bestmöglich einsetzen, sodass KI einen Mehrwert schafft? Wie können wir ihre Potenziale im eigenen Unternehmen zugänglich machen – für welche Anwendungsfälle und Anwender?

 

Mit anderen Worten: Wie finden wir die Fragen, auf die KI die Antwort ist?

 

Genau vor dieser Herausforderung stehen aktuell viele Unternehmen in nahezu allen Branchen. Die vielfältigen und tiefgreifenden Potenziale von KI, kombiniert mit der hohen Geschwindigkeit der technischen Entwicklung, führen dabei zu einem steigenden Handlungsdruck: Wer will schon die Chancen verpassen, die KI gerade eröffnet? Aber wo genau liegt das größte Potenzial und wo fängt man als Unternehmen an?

 

Um KI systematisch nutzen und die medial oft beschriebene „KI-Transformation“ (also die systematische Integration von Künstlicher Intelligenz in das eigene Unternehmen) umsetzen zu können, braucht es zunächst eine klare Strategie. Denn Mehrwerte durch neue Technologien entstehen nicht zufällig.

 

Die Strategie muss die Frage beantworten, für welche Herausforderungen und Potenziale im Unternehmen sich KI in welcher Form einsetzen lässt. Dies umfasst, sich die eigenen Ziele bewusst zu machen, und systematisch mit den Möglichkeiten der neuen Technologien für einzelne Bereiche im Unternehmen abzugleichen, um dann entsprechende, konkrete Einsatzmöglichkeiten zu identifizieren. Damit lassen sich auch die mit dem Einsatz von KI verbundenen Investitionen und Effekte besser evaluieren.

KI braucht Menschen. Menschen brauchen KI.

Wenn es darum geht, die Potenziale von Künstlicher Intelligenz für das eigene Unternehmen zugänglich zu machen, ist die KI-Strategie eine essenzielle Grundlage, reicht allein aber nicht aus. Konkrete KI-Projekte zur Umsetzung der Strategie erfordern vielmehr eine starke Integration des Themas „User Experience“ (UX).

 

UX umfasst klassischerweise die Gestaltung der Nutzererfahrung eines Produktes oder Services. Es geht dabei insbesondere darum, die Funktionalitäten des Produktes den Usern möglichst einfach zugänglich zu machen, um deren Anforderungen möglichst gut zu erfüllen.

 

Dieser Aspekt ist auch bei der Entwicklung und dem Einsatz KI-basierter Lösungen in Unternehmen besonders relevant. Vor allem, wenn es darum geht, aus den vielfältigen Tools und deren Möglichkeiten, jene mit dem größten Potenzial zu identifizieren und gezielt einzusetzen.

 

Die UX steht am Anfang der KI-Transformation, denn am Anfang steht die Frage, welche Probleme die neuen Werkzeuge lösen sollen und wie diese Lösung konkret aussehen soll. Das gilt sowohl intern, für die eigenen Mitarbeitenden (wenn KI deren Arbeit erleichtert oder neue Möglichkeiten schafft), als auch extern, bezogen auf Kunden (beim Einsatz von KI in Produkten und Services) und Partner (wenn KI die Kollaboration erleichtert). Intern und extern geht es darum, Anwendungsfälle zu identifizieren, bei denen KI Probleme lösen oder neue Potenziale schaffen kann und dann entsprechende Lösungen unter Nutzung von KI zu entwickeln.

 

Ein solcher konkreter Anwendungsfall kann zum Beispiel die schnelle und effektive Bereitstellung von Fachwissen im Unternehmen sein – ein wichtiger Faktor für jede Organisation, aber bisher oft ein Problem, weil Fachwissen vor allem über (zeitaufwendige) Online-Kurse, Weiterbildungen oder Bücher verfügbar ist. Gleichzeitig ist unternehmensspezifisches Wissen häufig in Wikis oder Dokumenten abgelegt, nur unzureichend gepflegt, oder gar nicht dokumentiert. Fachwissen für einen bestimmten Unternehmensbereich (z. B. Produktion, HR, Marketing) ist daher oft nur schwer zugänglich, sehr statisch und nicht für bestimmte Zielgruppen aufbereitet.

 

Für diesen Anwendungsfall kann nun mithilfe der Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer (beispielsweise Wissensbedarf, einfache Zugänglichkeit, personalisierte Bereitstellung) ein konkretes Lösungskonzept erarbeitet und umgesetzt werden. Ein Beispiel wäre ein KI-Assistent, der mit Kenntnissen zu einem bestimmten Fachgebiet und Unternehmenswissen trainiert und angereichert wird. Dieses Wissen kann er den Mitarbeitenden flexibel und nach Bedarf für bestimmte Aufgaben zur Verfügung stellen. Abhängig von der konkreten Zielgruppe und deren Anforderungen kann die Nutzererfahrung (UX) des KI-Assistenten gestaltet werden: Handelt es sich bei den Usern im Unternehmen beispielsweise um Mitarbeitende, die häufig unterwegs sind und vorwiegend mit Mobilgeräten arbeiten, kann der Assistent auf Sprachkommunikation fokussiert werden, um ihn für diese Personen möglichst einfach zugänglich zu machen.

 

Ein weiterer Anwendungsfall kann die Qualitätssicherung in industriellen Produktionsprozessen sein. Einzelne Exemplare eines Produktes manuell auf dessen Beschaffenheit und Qualität zu prüfen, ist in der Regel zeitaufwendig und damit teuer. Auch hier ist das Problem, und die damit verbundenen Anforderungen der User (Zeitersparnis, Qualitätsverbesserung) der Ausgangspunkt, um mithilfe von KI eine sinnvolle Lösung entwickeln zu können.

 

So kann mit der KI-basierten Analyse von Bilddaten (Computer Vision) ein solcher Prüfprozess automatisiert und beschleunigt werden. Beispielsweise, indem eine Kamera jedes Produkt erfasst und ein KI-System diese Aufnahmen prüft und jene Produkte identifiziert, die potenziell Qualitätsmängel aufweisen (und damit möglicherweise auf Probleme im Produktionsprozess hindeuten) schneller identifiziert werden. In einem zweiten Schritt kann dann ein Mitarbeitender der Qualitätssicherung sich auf diese begrenzte Vorauswahl an Produkten konzentrieren und diese prüfen.

 

Gerade bei derartigen Lösungen, die künstliche und menschliche Intelligenz kombinieren, ist es wichtig, die entsprechenden User/Mitarbeitenden bei der Lösungskonzeption und -entwicklung eng zu involvieren. Die User Experience wird damit zu einem entscheidenden Faktor, um KI gezielt einzusetzen.

 

Dies sind nur zwei von vielen möglichen Beispielen für den konkreten Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Unternehmen. Sie verdeutlichen aber, warum für den systematischen und mehrwertstiftenden Einsatz von KI existierende Probleme oder zukünftige Potenziale am Anfang stehen sollten. Solche Probleme/Potenziale und die daraus resultierenden Anforderungen an eine (KI-basierte) Lösung können durch UX-Experten (z. B. mittels Befragungen) identifiziert, konzeptioniert und dann durch KI-Experten/Entwickler und andere Fachexpertinnen und -experten umgesetzt werden. In beiden Fällen geht es dann darum, die Lösungsmöglichkeiten, die KI bietet (z. B. einen KI-Assistenten im Chatbot-Format), so zu gestalten, dass sie im konkreten Fall einen Mehrwert bieten und die Anforderungen der jeweiligen Nutzergruppe möglichst gut erfüllen (z. B. Fachwissen zielgruppengerecht und nach Bedarf über den KI-Assistenten verfügbar zu machen).

 

Nur die Kollaboration von Expertinnen und Experten aus den Bereichen UX, AI, Entwicklung und Fachabteilungen, in enger Zusammenarbeit mit den Kunden/Usern, führt dazu, die KI-Potenziale zu identifizieren und KI-Lösungen zu entwickeln, die einen echten Mehrwert darstellen. Der klare Fokus auf die Einbeziehung des Menschen, den UX mit sich bringt, hilft zudem, den Einsatz von KI nicht nur als etwas rein Technisches zu betrachten. Denn für den erfolgreichen Einsatz und nicht zuletzt für die Akzeptanz von KI in Unternehmen spielen auch Faktoren wie Ethik, Empathie, und Kommunikation eine wichtige Rolle.

KI braucht UX

Wie bei den einfachen Prompts, die wir aus den zahlreichen bekannten KI-Tools kennen, gilt auch bei Unternehmen: Je genauer ich weiß (und formulieren kann), welches Problem ich lösen möchte, desto besser kann die KI mir dabei helfen.

 

Diese Probleme und Potenziale muss ich gezielt identifizieren und entwickeln. Daher sind UX und KI nicht nur eng verbunden, ihre Verbindung ist vielmehr die Voraussetzung, um die Mehrwerte von KI überhaupt strategisch nutzen, und damit systematisch Wettbewerbsvorteile erzielen zu können. Und diese Verbindung fängt bei den Menschen im Unternehmen an (Mitarbeitende, Kunden, Partner), bei deren Problemen und Anforderungen, und den Potenzialen, die sich daraus für KI-Lösungen ergeben.

Geschrieben von

Christian Kahl
Senior Consultant

Christian Kahl hat als promovierter Wirtschaftsinformatiker immer an der Schnittstelle von Technik, Business und Nutzern gearbeitet. Mit langjähriger Praxiserfahrung im Umfeld von Forschung, Start-ups und etablierten Tech-Unternehmen, hat er Innovationen vorangetrieben und bereits früh die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz erkannt und genutzt. Heute hilft er als Senior Consultant Unternehmen dabei, KI in der Praxis nutzbar zu machen. Privat verwendet er KI als Techno-Musiker, oder reist leidenschaftlich gerne durch die (reale) Welt.

Christian Kahl